El Salvador, ein Land im Wandel
Die vergessene Not der Salvadorianer:innen
El Salvador ist ein kleines, aber geschichtsträchtiges Land in Mittelamerika. Nachdem es sich von der Kolonialmacht Spaniens gelöst hatte, war das Leben der Menschen lange von Gewalt, Konflikten und starken gesellschaftlichen Gegensätzen geprägt – und ist das vielfach bis heute.
Während der überwiegende Teil des Ackerlandes von Großgrundbesitzern bewirtschaftet wird, haben rund 42% Prozent der Bevölkerung keine gesicherte Ernährung, 20% fehlt es an sauberem Trinkwasser und fast die Hälfte der Menschen hat keinen Zugang zu sanitärer Infrastruktur.
Wie aber ist es zu diesen massiven Ungleichheiten gekommen und was unternehmen die Projektpartner:innen von Bruder und Schwester in Not dagegen?
Die meisten Salvadorinaner:innen sind sowohl Nachfahren indigener Hochkulturen als auch der europäischen Kolonialherren. Diese kulturelle Vielfalt El Salvadors ist ein wertvolles Erbe, das bis heute das gesellschaftliche Leben prägt. „Die Vergangenheit der Kultur lebt in den Menschen weiter – in ihrer Sprache, in ihren Traditionen und in ihrer Sicht auf die Welt. Sie ist nicht nur Geschichte, sondern ein lebendiger Teil der Gegenwart El Salvadors“, erklärt Bettina Gatt, Projektreferentin für Lateinamerika. Diese Vielfalt zeigt sich in den Festen und der Kunst des Landes, die indigene und spanische Einflüsse vereinen.
Von der Hochkultur über die Kolonialzeit zur Präsidialdemokratie – El Salvadors Geschichte
Zwei indigene Gemeinschaften, die ursprünglich im Gebiet des heutigen Mexicos lebten, siedelten sich im 9. Jahrhundert auch im heutigen EL Salvador an. Eine der ältesten nachgewiesenen Kulturen der Region sind die Maya. 1524 eroberten die Spanier das Land und es war bis 1821 spanische Kolonie. 1841 wurde EL Salvador ein unabhängiger Staat.
El Salvador ist heute das kleinste Land Mittelamerikas und mit einer Größe von 21 041 km² ungefähr so groß wie Niederösterreich. Es hat eine Bevölkerungsanzahl von 6,3 Millionen Menschen, von denen ein Drittel in der Hauptstadt San Salvador lebt. Die Amtssprache des Landes ist heute Spanisch.
Durch seine Lage zwischen Pazifik, Honduras und Guatemala gibt es keinen Zugang zum Atlantik. Es gibt teilweise noch aktive Vulkane, außerdem treffen an der Küste drei Kontinentalplatten aufeinander, was das Land sehr anfällig für Erdbeben macht. Eine Vulkankette ist es auch, die El Salvador in drei Regionen teil: den südlichen Küstenstreifen, die zentralen Hochebenen und Täler und die nördlichen Berge. Der höchste Berg liegt an der Grenze zu Guatemala und ist mit einer Höhe von 2730 Meter der “El Pital”.
Aufgrund der fruchtbaren Vulkanböden waren die Hochebenen seit jeher ein beliebtes Siedlungsgebiet. In El Salvador herrscht tropisches Klima, wobei die Temperaturen je nach Vegetationszone variieren. Während es in den Bergen deutlich kühler ist, können die Temperaturen in den Tälern drückend heiß werden.



Ungleichheit führt zu Bürgerkrieg
1882 wurde das ursprünglich indigene Gemeindeland von der Regierung beschlagnahmt und an die Großgrundbesitzer für Kaffeeplantagen verteilt. 90 Prozent des fruchtbaren Landes befanden sich daraufhin in deren Besitz. Dies hatte bittere Armut der bäuerlichen Familien zur Folge, die einen Großteil der Bevölkerung ausmachten. 1932 wurde ein Aufstand der Landarbeiter:innen, überwiegend indigener Pipil-Bäuer:innen, gewaltsam niedergeschlagen. La Matanza (Span. „das Massaker”) hatte über 30.000 tote Landarbeiter:innen zur Folge.
Die soziale Kluft gipfelte 1980 bis 1991 im Bürgerkrieg. Im Kampf zwischen Militärdiktatur und Guerillabewegung kamen rund 70.000 Menschen ums Leben. 1992 kam es zu einem Friedensvertrag. Auf die Bevölkerung hatte dieser allerdings nur unzureichende positive Auswirkungen. Bis heute ist das Land von diesen großen sozialen Unterschieden geprägt.
Soziale Ungleichheit bis heute
El Salvador ist eine Präsidialdemokratie. Das bedeutet, der Präsident ist gleichzeitig auch Regierungschef und wird alle fünf Jahre gewählt. Seit 2001 ist der US-Dollar die offizielle Währung und löste den bis dahin geltenden Colón ab.
Jahrzehnte von Bandenkriegen, Repressionen, Menschenrechtsverletzungen und hohe Gewaltbereitschaft hinterlassen ihre Spuren: Aufgrund der im Land weiterhin bestehenden hohen Kriminalitätsrate und der mangelnden Zukunftsperspektiven für Junge flüchten jährlich viele Salvadorianer:innen ins Ausland, unter anderem in die USA. Mehr als 20% des BIP machen deshalb die Rücküberweisungen der im Ausland lebenden Salvadorianer:innen aus.
Um die hohe Kriminalität zu bekämpfen, rief die Regierung 2022 einen Ausnahmezustand aus, der bis heute anhält. Durch Massenverhaftungen versucht man der Gewalt entgegenzuwirken.
Auch die sozialen Ungleichheiten und die ungleiche Landverteilung bestehen bis heute. Großgrundbesitzer setzen auf Monokulturen zur Produktion landwirtschaftlicher Exportgüter wie etwa Zuckerrohr. „Vor allem die Kleinbäuer:innen leiden an den Folgen der industriellen Landwirtschaft, erschwerend kommen noch die Folgen des Klimawandels hinzu", so Bettina Gatt.



Die Projektpartner:innen in El Salvador
Bruder und Schwester in Not arbeitet in El Salvador mit drei Partnerorganisationen zusammen. Fundación Círculo Solidario unterstützt Familien in Not u.a. dabei, Hausgärten für die Ernährung anzulegen und durch eigene agroökologische Nachzucht der Pflanzen Unabhängigkeit von teuren Saatgut- und Düngemittelkonzernen zu erlangen. Fundación Segundo Montes arbeitet im ländlichen Bereich und unterstützt schwerpunktmäßig Frauen bei der Erlangung wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Der dritte Projektpartner ist die Jesuitenuniversität UCA: Mit einem niederschwelligen Lehrgang für Multiplikator:innen bietet sie Menschen wie Straßenverkäufer:innen, Arbeiter:innen und Bäur:innen Wissen und Handreichungen zu zivilgesellschaftlichem Engagement, das den Frieden stärkt.
Bitte unterstützen Sie die Menschen in El Salvador mit Ihrer Spende.
Text und Fotoauswahl: Theresa Kert. Quellen: wissen-digital.de; Wko.at; El Salvador & Honduras - David Steinke
Fotos: Landschaftsfotos (c) BSIN-Archiv, pixabay; Menschen (c) FCS